Feuerwehrleute verhindern Zwangsräumung in Spanien

Heute wurde in A Coruña, Galicien (Spanien), eine Zwangsräumung aufgehalten durch hunderte Aktivisten, die den Zugang zur Wohnung blockierten, und Feuerwehrleute, die sich weigerten, die Tür aufzubrechen. Am Nachmittag mussten Gerichtsvollzieher und Polizei einsehen, dass sie keine Chance haben, die Zwangsräumung durchzuführen und zogen unverrichteter Dinge wieder ab.

Foto von 15Mmontealto@Twitter

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Aurelia Rey sollte heute per Gerichtsentschluss aus ihrer Wohnung geworfen werden, weil sie eine Monatsmiete zu spät bezahlt hatte (siehe auch Bericht vom Samstag). Nach einem Artikel von El Diario, wollte ihr auch die Stadtverwaltung nicht helfen. Stattdessen wurde ihre nahe gelegt, doch in ein Altersheim zu gehen. Die Dame weigerte sich, da sie noch gut für sich selbst sorgen kann. Die Ortsgruppe von stop desahucios (Schluss mit Zwangsräumungen) nahm sich des Falls an und steht ihr seitdem bei.

Stop desahucios geht davon aus, dass der eigentliche Hintergrund, warum der Eigentümer der Immobilie die 85-Jährige schnellstmöglich aus der Wohnung haben will, der ist, dass sie dort seit über 30 Jahren wohnt und nur eine sehr niedrige Miete bezahlt, 165 Euro. Nachfolge-Mieter würden wohl mit 600 € rechnen müssen für die zentral gelegene Wohnung.

Foto von rochoypunto@twitpic

Aurelia bedankt sich bei ihren Unterstützern
Foto von rochoypunto@twitpic

Hunderte Aktivistinnen und Aktivisten verschanzten sich seit heute Vormittag vor und in der Wohnung und ketteten sich an die Haustür, berichtet La voz de Galicia. Angesichts dieses massiven Widerstands wurde die Zwangsräumung verschoben. Gerichtsvollstrecker und Polizei zogen sich zurück, was sich aber als Finte herausstellen sollte. Als sich die Versammlung vor dem Haus auflöste und nur noch kleine Gruppen vor Ort waren, kehrten die die Uniformierten zurück und versuchten mit Gewalt, dem Vollstrecker Zugang zu der Wohnung zu verschaffen.

Foto von sgambarte@Twitter

Stop desahucios
Foto von sgambarte@Twitter

Letztendlich scheiterten sie aber an der Kette. Zwei Feuerwehrleute weigerten sich kategorisch, die Kette aufzuschneiden und die Tür aufzubrechen. Einer der Feuerwehrmänner zog sich in in sein Einsatzfahrzeug zurück und hängte ein stop desahucios-Schild von innen an die Windschutzscheibe.

Zwei Videos haben diese Momente eingefangen: zum einen die Live-Übertragung (ab Minute 14:10), zum anderen ein Video der Voz de Galicia.

Der Erfolg wurde von dem Umstehenden mit großer Erleichterung und mit lauten Rufen gefeiert: „Sí se puede“ (ja, man kann) und „el pueblo unido jamás será vencido“ (das vereinte Volk wird niemals besiegt).

Foto von SermosGalizia@Twitter

Sí se puede – geschafft!
Foto von SermosGalizia@Twitter

Der Twitter-Account der Feuerwehr Galicien meldete sich dazu zu Wort:

Wir gehen zu Wohnungen, um denen zu helfen, die sich darin befinden. Nicht, um sie auf die Straße zu werfen. Kollegen, beteiligt euch nicht an Zwangsräumungen.
— Bombero Comarcal Gz (@BomberoComarcal) 18. Februar 2013

Wir fühlen uns an die Schlosser in Pamplona erinnert, die sich geschlossen weigern, bei Zwangsräumungen zu helfen (Bericht auf Bodenfrost).

Es stimmt eben nicht, dass man nichts machen kann. Manchmal reicht es schon, an der richtigen Stelle „nein“ zu sagen und auf das Gewissen statt auf Befehle zu hören.

Fotos von Widerstand gegen die Zwangsräumung:
La voz de Galicia
La opinión A Coruña

Ein (spanischsprachiges) Video gibt es bei 20 minutos. Die Ruppigkeit des Polizei-Einsatzes erkennt man auch, wenn man die Sprache nicht verstehen sollte.

Nachtrag 20.02.2013: Mittlerweile hat sich auch die Feuerwehr in anderen Regionen dem guten Vorbild angeschlossen. La Vanguardia berichtet, dass sich auch in Katalonien die Feuerwehr nicht mehr an Zwangsräumungen beteiligen wird: „Wir werden Türen nur bei Notfällen öffnen, wie es das Gesetz vorsieht.“
Noch deutlicher drückte sich die Gewerkschaft der Feuerwehr in Madrid aus: „Wir sind nicht die Hampelmänner der Banken und ihrer Diener innerhalb der Regierung. Unser Arbeitsfeld ist der Notfall und unsere Pflicht ist es, den Bürgern zu helfen,“ wird eine Mitteilung bei El diario und Público zitiert.
Die Mitteilung kann nun auch im Wortlaut nachgelesen werden.

Nachtrag 21.02.2013: Das Vorbild der zwei Feuerwehrmänner aus A Coruña zieht weitere Kreise: Las provincias berichtet, dass drei Feuerwehr-Gewerkschaften in Valencia ebenfalls die Kooperation bei Zwangsräumungen verweigern. „Wir sind dafür da, den Leuten zu helfen, und nicht, um Banken zu retten,“ sagte ein Gewerkschaftssprecher. Sollten die Weigerungen ein Strafverfahren nach sich ziehen, werden sie zusammen legen und eventuelle Bußgelder gemeinsam bezahlen.

Die Feuerwehr von Gran Canaria verbreitete über ihren Twitter-Account die Mitteilung, dass alle kanarischen Feuerwehrleute, die bei der Gewerkschaft CCOO sind, nicht an Zwangsräumungen mitwirken werden. In dem Schreiben erinnern sie auch daran, dass es ihnen nur erlaubt ist, Wohnungstüren zu öffnen, wenn Gefahr für die Menschen in der Wohnung besteht.
Die vollständige Mitteilung.

Die Feuerwehr aus Murcia erklärt ebenfalls, dass Zwangsräumungen nicht zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehören. „Bis jetzt wurden sie nicht zu einem solchen Einsatz gerufen, aber sie haben auch unter keinen Umständen vor, sich in Zukunft daran zu beteiligen,“ ließen sie über einen Gewerkschaftssprecher verkünden (Quelle: El confidencial).

Nachtrag 07.03.2013: Die Feuerwehrleute aus León beteiligt sich nicht an Zwangsräumungen (Quelle: Leonoticias). Die Gewerkschaft der Feuerwehrleute aus Valencia bekräftigt, dass sie sich nicht an Zwangsräumungen beteiligen werden, bei denen es um unbezahlte Hypothekenschulden geht (Quelle: ARA).

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20 Antworten zu “Feuerwehrleute verhindern Zwangsräumung in Spanien”

  1. Enough is Enough! sagt :

    Reblogged this on Enough is Enough! und kommentierte:
    #18F Feuerwehrleute verhindern #Zwangsräumung in Spanien

  2. almabu sagt :

    Das sind ermutigende Zeichen aus Spanien. Davon können wir alle lernen…

    • bodenfrost sagt :

      Meine vollste Zustimmung. Natürlich ist die Gefahr nicht gebannt, aber es ist mindestens mal ein Tag gewonnen. Und es wurde ein klares Zeichen gesetzt: so einfach könnt ihr einen Mitmenschen nicht auf die Straße setzen.

    • Ama Amazon sagt :

      Was meint ihr, warum sich in Spanien die Leute mobilisieren, solidarisieren und originelle und entschiedene Aktionen durchführen, viel mehr als in Deutschland? Ein Grund ist doch, dass dort viele wissen: Mir, meiner Freundin, Nachbarin, dem Onkel, Cousin, der Kollegin steht das Wasser bis zum Hals – auch wenn in D-Land der mittlere, bequem lebende „Schichten“ angeblich schrumpfen, sehen wir es hier offenbar nicht als zwingende Notwendigkeit an, politisch zu denken und zu handeln. Andere Ideen dazu?

  3. bernhardjenny sagt :

    super! die wahnsinnigkeiten schreien nach widerstand!!!

  4. Emma Frei sagt :

    Großartige Aktion!
    Menschlichkeit vor stumpfsinnigen Befehlen und Geld!

  5. bodenfrost sagt :

    Vielen Dank für das Interesse und die Kommentare. Wenn es Neuigkeiten zu Aurelia gibt, werde ich berichten. Auch heute, Dienstag, harrten hunderte Menschen vor ihrem Haus, um zu verhindern, dass die Zwangsräumung doch noch durchgeführt wird.

    Ein paar Fotos von heute:

    Foto 1
    Foto 2
    Foto 3

    Es wird noch verhandelt, drücken wir die Daumen, dass die Dame bleiben kann.

    Heute hat die Feuerwehr aus Katalonien ihre Solidarität mit den Kollegen aus A Coruña/Galicien ausgesprochen und erklärt, dass auch sie nicht mehr die Türen öffnen werden für Zwangsräumungen: „Wir werden die Türen nur bei Notfällen öffnen, wie es das Gesetz vorsieht.“

    (Quelle: La Vanguardia, 19. Februar 2013)

  6. bodenfrost sagt :

    El País meldet gestern, dass weiter verhandelt wird.

    Das Gericht sagte zwar, dass diese Woche kein weitere Versuch stattfinden wird, die Zwangsräumung durchzusetzen, aber die Leute sind sehr misstrauisch, nachdem man sie am Montag schon belogen hat. Tag und Nacht bewachen solidarische Mitmenschen das Haus.

  7. jan bieritz sagt :

    Wow, schön zu lesen sowas. Freue mich, auch wenn es nur ein Tag und nur vorrübergehend ist.

    Danke für den Beitrag, werter Blogschreiber.

    • bodenfrost sagt :

      Ich habe zu danken, für Interesse und freundlichen Kommentar.

      Wie ich inzwischen auch im Artikel selbst aktualisiert habe, stehen die Feuerwehrleute aus A Coruña nicht mehr alleine da, ihre Kollegen in Madrid und Katalonien weigern sich nun ebenfalls strikt, die Handlanger zu spielen bei Zwangsräumungen.

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