Gegenseitige Hilfe in Córdoba

Die Berichterstattung über soziale Proteste und alternative Projekte in Spanien beschränkt sich allzu oft auf die Metropolen Madrid und Barcelona. Völlig zu unrecht, auch in anderen Städten, zum Beispiel Córdoba, entstehen und gedeihen interessante Projekte als Antwort auf den alltäglichen Überlebenskampf gegen Krise, Arbeitslosigkeit, Armut und Zwangsräumungen.

Als im Mai 2011 die Bewegung 15M das Licht der Welt erblickte und „Empörte“ (Indignados) in ganz Spanien ihren Unmut auf die Straßen und Plätze trugen, entstand auch in Córdoba ein Ableger, 15M Córdoba. Ein Teil der Gruppe widmete sich dem Kampf gegen die Zwangsräumungen und nannte sich folgerichtig Stop Desahucios Córdoba (Schluss mit Zwangsräumungen). Auf ihrer Webseite verkünden sie stolz, dass bis jetzt niemand, der bei ihnen Beistand gesucht hatte, aus dem Haus geworfen wurde.

Foto von StopDesahuciosC

Aktivisten holen das Gemüse ab
Foto von StopDesahuciosC

Familien, die von Zwangsräumung bedroht sind, mangelt es oft schon an grundlegenden Dingen, weswegen Stop Desahucios Córdoba im Sommer ein „selbstverwaltetes Netz gegenseitiger Hilfe“ ins Leben rief. Geplant ist eine Zeitbank, bei der Dinge und Dienstleistungen getauscht werden können. Bereits umgesetzt ist eine Tafel für Menschen, die sich die Lebensmittel nicht mehr leisten können.

Unterstützung für das Vorhaben fanden sie bei SAT, dem Andalusischen Arbeitersyndikat. SAT macht immer wieder durch spektakuläre Aktionen auf sich aufmerksam (siehe Bodenfrost-Berichte vom 07.08.2012 und 30.08.2013). Dazu gehört auch die Besetzung leerstehender Fincas, um dort Lebensmittel anzubauen. Die seit März 2012 besetzte Finca Somonte erklärte sich bereit, dem Projekt Gemüse zu spenden.

„Die Beispiele größter Solidarität kommen nicht von denen, die am meisten haben. Danke, Somonte und SAT“, bedankte sich Stop Desahucios Córdoba auf Twitter für die Unterstützung.

Foto von StopDesahuciosC

Gemüse von der Finca Somonte
Foto von StopDesahuciosC



Selbstverwaltetes soziales Zentrum Rey Heredia

Seit Oktober wird an einem weiteren Projekt in Córdoba gearbeitet, berichtet Andaluces Diario. Eine leerstehende Schule wurde von dem Bündnis Acampada por la Dignidad (Acampada für die Würde) besetzt, um das selbstverwaltete soziale Zentrum Rey Heredia aufzubauen. Ein Video von der Besetzung:


Seit November gibt es dort eine Tafel, die einmal am Tag eine warme Mahlzeit ausgibt. Die Lebensmittel stammen zum größten Teil von kleinen Geschäften aus der Umgebung. Lebensmittel, die nicht mehr schön genug für den Verkauf, aber noch genießbar sind, werden von den Händlern gespendet und von Freiwilligen abgeholt.

Das Rey Heredia basiert auf Selbstverwaltung und gegenseitiger Hilfe. Diejenigen, die helfen, sind praktisch identisch mit denjenigen, denen geholfen wird. Wer dort isst, hilft auch mit, anstehende Aufgaben zu erledigen, sei es kochen, Essen verteilen, Geschirr spülen oder auch Instandsetzungsarbeiten am Haus. Jeden Freitag findet ein Treffen statt, um die Arbeitsgruppen zu koordinieren.

In dem zu neuem Leben erwachten Gebäude wird auch kostenloser Nachhilfeunterricht angeboten für Kinder, deren Eltern es sich nicht leisten könnten, dafür zu bezahlen. Auch gibt es Erwachsenen-Unterricht, beispielsweise Sprachkurse, der von einem Team von 25 freiwilligen Lehren angeboten wird. Vorträge und Workshops stehen ebenfalls auf dem Programm.

Für die Zukunft ist noch viel mehr geplant: es soll eine Möglichkeit eingerichtet werden, sich das Essen auch unbemerkt abholen zu können, für die Menschen, die sich schämen, sich ihr Essen nicht mehr leisten zu können.

Das Rey Heredia soll Treffpunkt und Versammlungsort für den ganzen Stadtteil Distrito Sur werden: für Einzelpersonen, Familien, Bürgerinitiativen oder Elternverbände, die dorthin gehen, damit ihre Kinder im Hof spielen können.

Um die Autonomie zu vervollständigen, sollen Gärten besetzt und bestellt werden. Die Aktivisten haben sich bereits nach passenden Grundstücken in der Nähe des Flusses Guadalquivir umgeschaut und sich mit deren Eigentümern unterhalten. Diese erklärten sich bereit, das Projekt zu unterstützen, einer von ihnen macht sich sogar Gedanken über ein Bewässerungssystem.

Hunderte Unterstützer vor dem Rey Heredia Foto von Acampada Dignidad

Hunderte Unterstützer vor dem Rey Heredia
Foto von Acampada Dignidad Córdoba

Die größte Gefahr für das Projekt droht von der Stadtverwaltung. Diese hat dem Haus bereits das Wasser abgedreht, wodurch sich die Aktivisten jedoch nicht vertreiben ließen. Inzwischen werden Menschenketten gebildet, um Trinkwasser von einem nahegelegenen Brunnen zu holen. Die Menschen vom Rey Heredia hoffen, dass ihnen nicht auch noch der Strom abgedreht wird, da sie sonst ihre Küche nicht mehr betreiben können.

Glücklicherweise kann das Rey Heredia auf breite Unterstützung zählen. „Eine Räumung wäre der Bevölkerung von Córdoba nur äußerst schwer zu vermitteln“, merkte Rafael Juan, einer der Sprecher und Organisatoren, an.

Nachtrag 30.11.2013:

Die Acampada Dignidad berichtet, dass einem verlassenen Grundstück neues Leben eingehaucht wird, indem Gemüsegärten angelegt werden. Drei Fotos davon haben sie bereits hochgeladen: 1 | 2 | 3. Nach getaner Arbeit und einem Gedichtvortrag wird gemeinsam gegessen und morgen weitergemacht, wie der Flyer ankündigt (Bild links).

„Ocupando la vida, sembrando la huerta“ bedeutet wörtlich übersetzt „Das Leben besetzen, indem wir den Gemüsegarten säen“.

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  1. STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (12/01 2014) | "Recht auf Stadt" - 20. Dezember 2013

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