Anarchistischer Monatsrückblick Februar 2019

Rückblick auf die zurückliegenden vier Wochen aus anarchistischer Perspektive. Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Lieber zu viele Links als keine. Wenn nichts anderes dabei steht, sind die verlinkten Texte auf deutsch.

Einige adjektivlose Anarchist*innen

Die vergangenen vier Wochen:

BRD

Rund 150 Menschen fanden ihren Weg ins DemoZ, um sich an dem Umsonstflohmarkt zu beteiligen. Organisiert hatte den Umsonstflohmarkt die Libertäre Gruppe Ludwigsburg. Viele Leute kamen mit den Veranstalterinnen und Veranstaltern ins Gespräch oder lasen sich deren Stelltafeln und Flyer zur Idee des Umsonstflohmarkts, den kapitalismusüberwindenden Ideen dahinter sowie allgemeine Infos über Alltagssolidarität und Anarchismus durch. Ein ausführlicher Bericht und Fotos von der Veranstaltung: [lbquadrat]

Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) hat die neue Ausgabe ihrer monatlichen Zeitung herausgebracht. Themen in der Februar-Ausgabe sind unter anderem: Aufnahme der Initiative
Anarchistische Bewegung Frankfurt in
die FdA, Solidaritätserklärung der FdA mit Jan, der Repression erleidet, weil er versuchte eine Abschiebung zu verhindern, Hacker Pädagogik: Ein experimenteller
Workshop zu (digitaler) Awareness, Wallmapu-Karawane in Chile und Argentinien: Freie Medien in Solidarität mit den Mapuche, Rollenspiele gegen die Gefängnishölle.

Gaidao Nummer 98 online lesen, herunterladen oder bestellen: [FdA-IFA]

Das Anarchistische Radio Berlin hat seinen neuen libertären Podcast veröffentlicht. Ein ernster und satirischer Blick auf Ereignisse des letzten Monats aus libertärer Perspektive. Themen sind in dieser Sendung: Wallmapu-Karawane (Mapuche-Solidarität), Interview mit der Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“, News zum Polizeigesetz in Sachsen, Prag: Die Räumung von Klinika, Brasilien: Internationaler Aufruf zum Widerstand gegen Bolsonaro und Argentinien: Interview mit dem Kollektiv für Santiago Maldonado.

Podcast online anhören oder herunterladen: [ARadio | FdA-IFA]

Eule, eine Aktivistin aus dem Hambacher Forst, wurde zu 9 Monaten Jugendhaft verurteilt. Sie befindet sich bereits seit vier Monaten in Untersuchungshaft. [taz | ABC Rhineland | Hambacher Forst]

Beim #FridaysForFuture in Dortmund war auch ein sichtbarer anarchistischer Block mit dabei [Anarchismus in Do].

Historische Jahrestage:

Zum Auffrischen der Erinnerung – die Anarchistischen Monatsrückblicke vom Februar 2018 [Bodenfrost] und vom Februar 2017 [Bodenfrost].

Im Februar 1887 wurden in den USA die Verleger und Herausgeber der anarchistischen Zeitung Lucifer the lightbearer angeklagt, weil sie einen Brief veröffentlicht hatten, der Vergewaltigung in der Ehe verurteilte.

Im Februar 1890 kam Moses Harman, der letzte verbleibende Herausgeber von Lucifer the lightbearer, erneut vor Gericht wegen eines ähnlichen Artikels. Den Großteil der darauffolgenden sechs Jahre verbrachte er aufgrund der ursprünlichen Anklage im Knast. [Wikipedia (englisch)]

Am 1. Februar 1931 wird in Buenos Aires der italienische Anarchist Severino Di Giovanni erschossen. Geboren wurde er am 17. März 1901. Nach der Machtübernahme Mussolinis und der Faschisten wanderte er nach Argentinien aus. Dort beteiligte er sich an den internationalen Protesten gegen die Gefangennahme und drohende Hinrichtung von Sacco und Vanzetti. Er verübte mehrer Anschläge aus Protest gegen die mediale Hetze und die Todesurteile gegen Sacco und Vanzetti. [Wikipedia]

Am 2. Februar 2003 wird der italienische Insurrektionalist und Anarchist Alfredo Maria Bonanno wegen Enteignung und anderer Aktionen zu sechs Jahren Knast und 3000 Euro Geldstrafe verurteilt [Wikipedia].

Am 2. Februar 2011 erscheint in Madrid die erste Ausgabe der anarchistischen Zeitung Todo por hacer [Todo por hacer/Twitter (spanisch)].

2018 lief eine Crowdfunding-Kampagne, damit die Zeitung weiterhin kostenlos verteilt werden kann: [firefund (spanisch/englisch)]

Am 5. Februar 1919 beginnt der Streik der CNT beim Stromversorger „La Canadiense“ in Barcelona, der sich zum Generalstreik ausweitet und 70 % der Industrieproduktion Kataloniens zum Erliegen bringt. Als Erfolg dieses Streiks wird nach 44 Tagen erstmalig weltweit der 8-Stunden-Arbeitstag in Spanien durchgesetzt. Außerdem werden höhere Gehälter erzielt, die Wiedereinstellung der entlassenen Arbeiter und die Freilassung tausender während des Streiks festgenommener Arbeiter. [Anarchismus.at | Wikipedia]

Am 6. Februar 1905 wird Soledad Estorach geboren. Sie war Mitglied der anarchosyndikalistischen CNT, der , Iberische Föderation der Libertären Jugend (FIJL, Federación Ibérica de Juventudes Libertarias) und Mitbegründerin der anarchafeministischen Organisation Mujeres libres und schrieb für deren gleichnamige Zeitung und für die Zeitung der Federación Anarquista Ibérica (FAI), Tierra y libertad.

Sie beteiligte sich aktiv an der sozialen Revolution 1936 in Spanien und war beim Barrikadenbau dabei.

Als sie wegen des Siegs der Faschisten nach Frankreich ins Exil fliehen musste, erfuhr sie, dass zwei Genossinen von den Mujeres Libres, darunter Pepita Carpena, gefangen waren. Unter Einsatz ihres Lebens kehrte sie mit dem Auto zurück und rette die beiden.

Von 1940 an lebte sie in Bordeaux. In den 1960ern verfasste sie Beiträge für eine Neuauflage der Zeitung Mujeres Libres. Am 14. März 1993 starb sie in Paris. [Wikipedia | Libcom (beide: englisch)]

Ein Text von ihr aus Tierry y libertad: [Anarchismus.at]

Am 7. Februar 1952 werden in Spanien 9 Mitglieder einer anarchistischen antifaschistischen Widerstandsgruppe names Tallion vom Franco-Regime zum Tode verurteilt. 5 davon werden im Monat darauf hingerichtet. Aufgrund internationaler Proteste werden bei den übrigen 4 die Urteile zu langjährigen Haftstrafen umgewandelt. Darunter ist auch Miguel García, der nach seiner Freilassung 1969 nach London zieht und dort mit dem schottischen Anarchisten Stuart Christie in der Gefangenenhilfsorganisation Anarchist Black Cross arbeitet. [Die Widerstandsgruppe Tallion:
Libcom (englisch) | Miguel García: Wikipedia]

Am 7. Februar 2008 stirbt in Valencia, Spanien, Pilar Molina Beneyto. Geboren wurde die Anarchafeministin 1949. Sie war in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CGT organisiert und arbeitete als Dokumentalistin, Forscherin und Fotografin. Neben vielem anderem wirkte sie auch an der Zeitung der CGT – Rojo y negro (Rot und schwarz) – und an Radio Klara mit. [Wikipedia | Rojo y negro (beide: spanisch)

Am 8. Februar 1921 stirbt Peter Kropotkin, einer der einflussreichsten Theoretiker des kommunistischen Anarchismus.

Am 13. Februar wurde sein Leichnam nach Moskau überführt. Zehntausende folgten seinem Sarg. Die Leninregierung erwies sich äußerst großzügig: sie gewährte inhaftierten Anarchistinnen und Anarchisten für den Tag der Beerdigung Hafturlaub, vorausgesetzt, sie würden am nächsten Tag wieder in die Gefängnisse zurückkehren. Sie hielten alle Wort und kehrten zur Verblüffung der neuen Zaren tatsächlich hinter die Gefängnismauern zurück. Der Trauerzug der Zehntausenden geriet zur bis dahin mächtigsten Demonstration des russischen Anarchismus, und sie sollte für die vielen darauffolgenden Monate, Jahre und Jahrzehnte auch die letzte anarchistische Manifestation in der Sowjetunion und dem nachmaligen und vormaligen Russland bleiben. Denn schon bald gingen die alten Verfolgungen von neuem los: zahlreiche Anarchistinnen und Anarchisten wurden verhaftet, ermordet, verbannt, in Arbeitslager deportiert, ausgewiesen oder zur Auswanderung gezwungen.
[Drei Quellen für das Zitat: Anarchie-Mannheim | AFunke | Syndikalismus]

Zum Leben von Peter Kropotkin: [Wikipedia]

Am 11. Februar 1916 wird Emma Goldman in den USA festgenommen und zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt, weil sie einen Vortrag über Geburtenkontrolle gehalten und Schriften zur Verhütung verteilt hat. [DeutschlandRadioKultur | SWR2]

Am 11. Februar 1994 stirbt Mercedes Comaposada Guillén. Sie war Anarchistin, Mitglied bei der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT und eine der Gründerinnen der anarchafeministischen Organisation Mujeres libres (Freie Frauen).

Während der zweiten spanischen Republik gab sie Fortbildungskurse für Arbeiterinnen und Arbeiter, die von der CNT organisiert wurden. Sie schrieb regelmäßig für die Zeitung der FAI (Federación Anarquista Ibérica) Tierra y Libertad und Tiempos Nuevos, wo sie eine Kolumne hatte, in der Gesundheit und Sexualität thematisiert wurden.

Nach dem Sieg der Faschisten beim spanischen Bürgerkrieg 1939 ging sie nach Paris ins Exil. [Wikipedia]

Am 14. Februar 1937 stirbt der Düsseldorfer Anarcho-Syndikalist und Anarchist Anton Rosinke an den Folgen der Folter durch die Gestapo.

Nach der Machtergreifung der Nazis versuchte Anton Rosinke in Düsseldorf bewaffneten Widerstand zu organisieren und beteiligte sich am Aufbau eines illegalen Widerstandsnetzes der FAUD (Freie Arbeiter Union Deutschlands). Zunächst stellte er Flugblätter und ein Mitteilungsblatt her. Als das Mitteilungsblatt in Belgien gedruckt wurde, kümmerte er sich um die Verteilung und um die Verbreitung weiterer illegaler Schriften wie „Esst deutsche Früchte“ (1934, Tarntitel für die Broschüre „Was wir Anarcho-Syndikalisten wollen“).

1934 wurde Anton Rosinke kurzzeitig verhaftet.

Mit dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 konzentrierte sich der anarchosyndikalistische Widerstand darauf, über die dortige Lage zu informieren, Flüchtlinge und Freiwillige für die Internationalen Brigaden über die Grenze zu bringen und Geld zu sammeln.

Beim Sammeln solcher Solidaritätsgelder wurde Anton Rosinke am 27. Januar 1937 verhaftet und durch die Geheime Staatspolizei im Polizeipräsidium gefoltert.
Anlässlich seines 80. Todestages wurde 2017 ein Stolperstein für ihn verlegt. [Anarchismus.at | Wikipedia | Duesseldorf.FAU | RP Online]

Angesichts der bevorstehenden Machtergreifung der Nazis löst sich Mitte Februar 1933 ein Großteil der Ortsgruppen der anarchosyndikalistischen FAUD (Freie Arbeiter Union Deutschlands) auf. Der Beschluss zur Selbstauflösung und Fortsetzung der Tätigkeiten im Verborgenen wurde bereits beim Erfurter Kongress im März 1932 gefasst. Auf diesem Kongress wurden auch Fluchtwege und illegale Grenzübertrittsmöglichkeiten diskutiert.

Zu den Aktivitäten nach der Selbstauflösung gehörten Widerstand gegen den Faschismus, Geld sammeln, Unterstützung politischer Gefangener und ihrer Familien.
Im Falle einer Machtergreifung Hitlers hatte die FAUD den sofortigen Generalstreik gefordert, weil es darauf ankomme, den Faschismus zu hindern, sich den gesamten Staatsapparat zu unterwerfen. In den Jahren 1932 war die Mitgliederzahl der FAUD jedoch bereits so stark zurückgegangen, dass sie nicht die organisatorische Stärke hatte, einen solchen Generalstreik umzusetzen. Die Mitgliederzahlen der FAUD für 1932 schwanken zwischen 6000 und 10.000. Bei der Machtübernahme der Nazis dürfte die Zahl von 7000 kaum überschritten worden sein. [Anarchismus.at]

Am 18. Februar 1998 findet das erstes Solidaritäts-Konzert für den Infoladen in Wels (Österreich) statt. Das Motto lautet „Her mit dem Leben“. Es spielen vier Bands und es gibt „Vegane Volxküche, Infostände, billige Trankln“. Zum 20jährigen Jubiläum twitterte der Infoladen:

„Ja, wir sind nun 20 Jahre alt und kämpfen noch immer für die Freiheit und ein besseres Leben für alle. Wir werden weiter machen, keine Frage. Forever Anarchist.“ [Infoladen_Wels]

Am 24. Februar 1909 wird Ethel MacDonald geboren. Die schottische Anarchistin war während der sozialen Revolution in Spanien für den Radiosender der CNT in Barcelona tätig. Anarchisten in Glasgow hatten Geld gesammelt, das ihr die Reise ermöglichte. Nach dem Verrat der Bolschewiki, die im Rahmen ihrer Säuberungen die Anarchisten angriffen, geriet sie in Gefangenschaft. Als es gelang, sie gegen Kaution aus dem Gefängnis zu holen, verließ sie Spanien noch nicht. Stattdessen tauchte sie ein in den praktischen Widerstand und verhalf dabei vielen Genossinnen und Genossen zur Flucht. 1939 flüchtete sie schließlich aus Spanien und arbeitete wieder als Journalistin und Druckerin in Glasgow. Am 1. Dezember 1960 starb sie an Multipler Sklerose.

Am 25. Februar 1894 wird der Anarcho-Pazifist Ernst Friedrich geboren. Sein berühmtestes Werk ist das anti-militaristische Buch „Krieg dem Kriege“ [Wikipedia]. Unter Zeitgenossen war er umstritten. Auszug aus der Korrespondenz zwischen Paul Banholzer und der Redaktion der FAUD-Zeitung Syndikalist von 1920:

Vor einigen Tagen kamen einige befreundete Kommunisten von der Tagung der Freideutschen in Hofgeismar zurück. Sie äußerten sich äußerst abfällig über Syndikalismus und Anarchismus und zwar auf Grund der Ausführungen des anarchistischen Jugendführers Friedrich, der daselbst viel unhaltbares Zeug verzapft haben soll Ich weiß nun nicht, wie weit Friedruch als maßgebende Persönlichkeit gewertet werden muss – Kannst du mich darüber aufklären? Besten Gruß Paul Banholzer

Ernst Friedrich ist so wenig syndikalistisch als anarchistisch organisiert. Die Berliner Arbeiter-Börse hat längst über ihn ihr Urteil gesprochen. Er verweigerte jede Art Auskunft über Einnahmen und Ausgaben des von ihm herausgegebenen Blattes „Freie Jugend“, trotzdem die Herausgabe fast ausschließlich durch Gelder der syndikalistischen Organisation möglich gemacht wurde. Weil die Arbeiter-Börse und die Geschäfts-Kommission mit Friedrich, der zu allem eher taugt als zum Jugendleiter, gebrochen hat, deshalb intrigiert er im Lande gegen die Geschäfts-Kommission. Rundschreiben und Briefe richtet er an alle Adressen, die wir ihm seinerzeit aushändigten, als er sich bei uns einführte. Friedrich ist Schauspieler, seine ganze Tätigkeit ist die eines Schauspielers. Er ist nicht unfähig, aber ohne Charakter. (…)

[zitiert aus Helge Döhring: „Kein Befehlen, kein Gehorchen! – Die Geschichte der Syndikalistisch-Anarchistischen Jugend in Deutschland seit 1918“, Seite 358]

Am 25. Februar 2002 stirbt die spanische Anarchistin und CNT-Mitglied Isabel Mesa Delgado. Auch noch während des Franco-Regimes leistete sie klandestin Widerstand gegen den Faschismus, gründete eine Untergrund-Zeitung und engagierte sich in einer heimlichen Gruppe, die Gefangene unterstützte und anderweitig gegen den Faschismus aktiv war. [Libcom]

Termine:

6. April 2019: Umsonstflohmarkt im DemoZ in Ludwigsburg, organisiert vom Libertären Bündnis Ludwigsburg [lbquadrat]

Für den Sommer plant die Villa Galgenberg in Nürtingen ihr Sommerfest und die alljährliche Wasserbombenparade.

 

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